INFO 1_2019
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung betrieblicher Strukturen und Prozesse, um Arbeit, Organisation und Verhalten am Arbeitsplatz gesundheitsförderlich zu gestalten. Sie sollen den Beschäftigten und dem Unternehmen gleichermaßen zugutekommen.
Ziel des BGM ist, die Belastungen der Beschäftigten zu optimieren
und die persönlichen Ressourcen zu
stärken. Durch gute Arbeitsbedingungen und Lebensqualität am Arbeitsplatz werden auf der einen Seite die Gesundheit und Motivation nachhaltig gefördert und auf der anderen Seite die
Produktivität, Produkt- und Dienstleistungsqualität und Innovationsfähigkeit
eines Unternehmens erhöht. Hier entsteht für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
eine Win-win-Situation, und das Unternehmensimage als guter Arbeitgeber
im Sinne von Corporate Social Responsibility wird verbessert. Letzteres ist angesichts der demografischen Entwicklung und dem damit verbundenen Konkurrenzkampf um qualifizierte Nachwuchskräfte nicht zu unterschätzen. Zu
den Handlungsfeldern des BGM gehö-
ren präventive Bereiche wie der Arbeitsschutz, die Suchtprävention, die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF), das
Personal und die Organisationsentwicklung. Korrektive Handlungsfelder sind
beispielsweise das Notfall- und Krisenmanagement und das Fehlzeitenmanagement.
Idee des BGS
Die Idee des Betrieblichen Gesundheitsmanagements geht zum einen auf die
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Ottawa-Charta von 1986 zurück, die als
Ziel die Befähigung der Bevölkerung zu
einem selbstbestimmten Umgang mit
Gesundheit sowie die gesundheitsförderliche Gestaltung der Lebenswelt und
der Gesundheitsdienste formuliert. Zum
anderen wurzelt sie im betrieblichen
Arbeitsschutz, der auf eine lange Tradition zurückblicken kann, im Rahmen
europäischer Gesetzesinitiativen in den
letzten Jahren gestärkt wurde und über
eine weit fortgeschrittene Professionalisierung und Institutionalisierung verfügt. Ein ganzheitlicher BGM-Ansatz
sollte über den seit 1996 vorgeschriebenen ganzheitlichen Arbeitsschutz hinaus auch betriebliche Gesundheitsförderung, Verbesserung der Führungskultur, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von
Privatleben und Beruf sowie Aufgaben
der altersgerechten Arbeitsgestaltung
berücksichtigen.
Analyse-Instrumente
Die wichtigsten Analyse-Instrumente
sind die Gefährdungsbeurteilung (Arbeitsschutz, psychische und physische
Belastungen), explorative Analysen, Fehlzeiten-Analysen, Krankenkassenberichte, biometrische Daten, Gesundheitszirkel, Workshops zur strategischen sowie
operativen Zielfindung und Mitarbeiter-Befragungen. Durch die Kombination verschiedener Analysemethoden und
sukzessiver Befundverdichtung können
Handlungsbedarfe und Problemfelder
im Betrieb ermittelt und Maßnahmen
festgelegt werden.
Bestandsaufnahme
Wichtig für ein Betriebliches Gesundheitsmanagement ist auch eine Bestandsaufnahme. Diese dient dazu, eine Übersicht aller bereits im Unternehmen bestehenden Maßnahmen und Prozesse
zu erstellen. Dies können z.B. sein:
__ flexible Arbeitszeitmodelle (Gleitzeit,
Arbeitszeitkonten, Sabbaticals),
__ Human Resources (HR) Maßnahmen zur Förderung der Selbstverantwortung zur Gesundheitsförderung,
__ Gesundheit als Thema im Unternehmensleitbild,
__ ein Führungskräfte-Entwicklungsprogramm,
__ ein gutes Betriebsklima,
__ Kurse für Rückenschule, Laufgruppen, ergonomische Schulungen,
__ Arbeits- und Gesundheitsschutz,
__ eine gesunde Kantinenverpflegung,
__ ein betriebliches Eingliederungsmanagement.
Das Aufgreifen dieser bereits bestehenden Einzelmaßnahmen, das Strukturieren, das Miteinander-Vernetzen und das
Kommunizieren der Vorgehensweise
sind wesentliche Bestandteile der Arbeit innerbetrieblicher Gesundheitsmanager
Umsetzung gesundheitsfördernder
Maßnahmen
Für die Umsetzung konkreter gesundheitsfördernder Maßnahmen ist es wichtig, sich an den Ergebnissen der BGMAnalyse zu orientieren und von diesen
folgende Zielsetzungen abzuleiten:
1. Betrieblicher Handlungsbereich: Wo
wollen/müssen die Verantwortlichen
aktiv werden?
2. Gesundheitliche Handlungsbereiche:
Auf welchen Gesundheitsebenen (körperliche, psychische, kognitive und/
oder organisationale Ebene) wollen/
müssen wir aktiv werden?
3. Konkrete Kennzahlen: Welche konkreten Kennzahlen aus unserer Eingangsanalyse wollen wir verbessern/
stärken? Wie sollen die Kennzahlen
aussehen? Ein kennzahlenbasiertes
Zielbildungs- und Analysetool ist beispielsweise das MIAS-Konzept
4. Messzeitpunkte: Bis wann sollen die
Kennzahlen erreicht werden? Wann
ist eine Evaluation der BGM-Maßnahmen durchzuführen?
In der Strategieentwicklungsphase sind
Ziele, Handlungsfelder, zielführende Aktionen und Prozesse festzulegen. Mit
der Spezifikation DIN SPEC 91020, das
sich am High Level Structure (HLS)
orientiert, kann das betriebliche Gesundheitsmanagementsystem mit anderen
Managementsystemen (Qualität, Umwelt, Energie und auch Arbeitsschutz
wie die ISO 45001) in Einklang gebracht oder zusammengeführt werden.
Für die Gesundheitsförderung wird ein
Drei-Säulen-Modell vorgeschlagen:
1. Person:Verhaltensprävention zielt auf
eine gesunde Selbst-Steuerung von
Einzelpersonen. Wirbelsäulenkurse,
Stressbewältigungstraining, Grippeschutzimpfungen, Sucht-Beratung sind
Instrumente zur Verhaltensprävention.
2. Arbeit: Verhältnisprävention hat den
Vorrang im Arbeitsschutz. Die Verhältnisprävention zielt auf gesunde Arbeitsbedingungen. Verbesserungen
der Ergonomie am Arbeitsplatz oder
der Arbeitsorganisation sind hier zu
nennen.
3. System: Systemprävention zielt auf
ein gesundes Miteinander in der Zusammenarbeit, in der Hierarchie und
im Gesamtunternehmen. Zum Beispiel können altersgemischte Gruppen, eine Betriebsvereinbarung zum
respektvollen Umgang miteinander
oder Führungstrainings geeignete
Maßnahmen zur systematischen Prävention im Bereich der sozialen Konflikte sein. Aus Sicht des Arbeitsschutzes ist die Systemprävention eine
Verhältnisprävention.
Verhaltens- und Verhältnisprävention
können sich überschneiden. Beispielsweise kann die Verhältnisprävention
Strukturen schaffen, die bei der Verhaltensprävention benötigt werden.
Nach Analyse- und Strategie-Phase:
BGM
Nach der Analyse- und der StrategiePhase wird ein betriebliches Gesundheitsmanagement mit Hilfe eines Projektmanagements, in Schritten, in die
betriebliche Organisation und die Managementsysteme integriert. Ausgewählte praktische Aktionen begleiten die Einführung. Wesentliche Elemente des betrieblichen Gesundheitsmanagements
sind die Veränderung der Firmenkultur
(Betriebliches Gesundheitsmanagement
muss ein Firmenziel sein) und die Partizipation der Mitarbeiter und der Interessenvertretungen. Existierende betriebliche Strukturen sind in das Betriebliche
Gesundheitsmanagement eingebunden
(Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin).
Begleitend mit der Umsetzung und den
Interventionen wird im Rahmen der
Evaluation erneut analysiert, was sich
durch die durchgeführten Maßnahmen
verbessert hat: Wurden die Ziele erreicht?
Ist der Krankenstand gesunken? Sind
die Mitarbeiter motivierter und mit den
Arbeitsbedingungen sowie mit dem Betriebsklima zufrieden? Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) ist
daher ebenfalls ein unverzichtbares Element des Betrieblichen Gesundheitsmanagements.
Viele Unternehmen bieten Ihren Mitarbeitern bereits eine Vielzahl an gesundheitsförderlichen Angeboten an. Doch
nicht selten haben diese keinen Überblick über das Angebot und nutzen es
deshalb nicht oder nur begrenzt.
Unerlässlich im BGM: kontinuierliche
Kommunikation
Deshalb ist eine kontinuierliche Kommunikation im BGM unerlässlich. Getreu dem Motto „Tue Gutes und rede
darüber“ müssen die Arbeitnehmer im
Rahmen der BGM-Kommunikation über
aktuelle Angebote und Maßnahmen des
Betrieblichen Gesundheitsmanagements
informiert werden. Dies kann z.B. über
unterschiedliche Kanäle wie das Unternehmensmagazin, das Intranet, E-MailVerteiler, Poster oder Flyer-Aktionen geschehen. Deshalb ist es hilfreich, im Rahmen der Planung eines BGM ebenfalls
ein Kommunikationskonzept zu entwickeln und genau zu planen:
__ wann, welche Informationen
__ von wem an wen veröffentlicht werden.
Eine gute Kommunikation unterstützt
die Transparenz, steigert die Partizipation und sorgt für eine nachweislich bessere Teilnahme an gesundheitsförderlichen Angeboten. Darüber hinaus fördert
sie die Sensibilität der Führungskräfte
und baut Hemmnisse gegenüber BGM
ab (z.B. fehlendes Wissen, fehlendes persönliches Engagement, fehlende Motivation der Belegschaft)
Unternehmen, die bereits ein betriebliches Gesundheitsmanagement besitzen,
nutzen dieses bewusst zur Mitarbeiterbindung und Fachkräftegewinnung. Erste Studien belegen die Wirkung von BGM
auf die Firmenattraktivität. Somit geht
die Kommunikation des Angebots häufig über die interne Werbung hinaus.
BGM-Steuerungsgruppe
Unternehmensleitung, Personalabteilung, Betriebsrat, Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit sind wichtige Akteure innerhalb des Betriebes, die
sich häufig im Rahmen einer BGM-Steuerungsgruppe organisieren.
Vorübergehend können externe Beratung
und Unterstützung erforderlich sein,
z.B. für die Implementierung des BGM
in Form der DIN SPEC 91020 in das betriebliche Qualitätssicherungssysstem
(nach ISO 9001), die Schulung der rechtlichen Rahmenbedingungen, für Führungskräftetrainings, -coaching.