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INFO 1_2019

Differenzierungsklauseln verfassungsgemäß – Tarifverträge dürfen Gewerkschaftsmitglieder besserstellen

Eine unterschiedliche Behandlung gewerkschaftlich organisierter und nicht gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer in einem Tarifvertrag ist grundsätzlich verfassungsgemäß.
Hierin liegt in aller Regel keine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit. Etwas anderes gilt nur, wenn die Privilegierung der Gewerkschaftsmitglieder nicht nur zu einem faktischen Anreiz, sondern zu einem Zwang oder Druck zum Gewerkschaftsbeitritt führt.

DER SACHVERHALT

Der Beschwerdeführer wandte sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen Bestimmungen zu Überbrückungs- und Abfindungsleistungen in einem Sozialtarifvertrag. Bestimmte Leistungen sollten danach nur solchen Beschäftigten zukommen, die an einem vereinbarten Stichtag Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft waren. Der Beschwerdeführer erhielt die Leistungen nicht, da er keiner Gewerkschaft angehörte. Er wurde lediglich arbeitsvertraglich und durch einen Sozialplan begünstigt. Seine Klage auf die weiteren Leistungen blieb erfolglos.
Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.

DIE GRÜNDE

Die vorliegenden tarifvertraglichen Differenzierungsklauseln verletzen den Beschwerdeführer weder in seinem Grundrecht auf negative Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG noch in seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Art. 9 Abs. 3 GG schützt zwar auch die Freiheit, Vereinigungen zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen fernzubleiben. Daher darf kein Zwang oder Druck in Richtung auf eine Mitgliedschaft ausgeübt werden. Die Tatsache, dass organisierte Arbeitnehmer anders behandelt werden als nicht organisierte Beschäftigte, bedeutet aber noch keine Grundrechtsverletzung, solange sich daraus nur ein eventueller faktischer Anreiz zum Beitritt ergibt, aber weder Zwang noch Druck entsteht.

Es ist auch nicht erkennbar, dass das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG, einen Arbeitsvertrag frei zu schließen und daher auch aushandeln zu können, verletzt wäre. Abhängig Beschäftigte befinden sich beim Abschluss von Arbeitsverträgen zwar typischerweise in einer Situation struktureller Unterlegenheit, weshalb Vorkehrungen zu treffen sind, um sie zu schützen. Die betrieblichen und tarifvertraglichen Regelungen, die auch auf den Beschwerdeführer Anwendung fanden, waren jedoch geeignet, eine strukturelle Unterlegenheit aufzufangen.

Auch die Stichtagsregelung in dem Tarifvertrag begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft an einem Stichtag hebt auf den besonderen Kündigungsschutz derjenigen ab, die gerade zuvor bereits Mitglied waren, weshalb ein Stichtag erforderlich ist, um verlässlich zu bestimmen, wer die vereinbarten Leistungen erhalten würde. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Sozialplanvolumina durch eigenständige tarifvertragliche Vereinbarungen zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern generell ausgezehrt werden.

Quelle: BVerfG PM Nr. 89 v. 21.12.2018

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