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INFO 4_2018

Koalitionen sind möglich

In Baden geht die politische Arbeit weiter. Nach der Installation des „runden Tisches“ (Kirchengewerkschaft Info 3-2018, S. 20) haben die beteiligten Organisationen beschlossen, den Landessynodalen bei diesem wichtigen Thema keine Ruhe zu lassen.

Gerade noch rechtzeitig zur Herbstsynode (21. Bis 25. Oktober 2018) wurde einvernehmlich untenstehender Brief verfasst:


Gemeinsamer Brief des GA, ver.di, Kirchengewerkschaft, (Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt)

An die Mitglieder der
Landessynode Baden

Nachrichtlich:
Kirchenleitung


Reform des kirchlichen Arbeitsrechtes – Entscheidung gegen die Voten der Beschäftigten

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Synodale,

die guten Argumente für die Ermöglichung eines kirchengemäßen Zweiten Weges lagen bei der Frühjahrssynode 2018 alle auf dem Tisch. Leider hat sich die Landessynode dann doch in ihrer Mehrheit für die Entfristung des so genannten Dritten Weges im kirchlichen Arbeitsrecht entschieden. Dies erfolgte gegen die gemeinsame Forderung vieler Mitarbeitenden und ihrer Vertretungen, der Dienstnehmerseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission Baden, des Gesamtausschuss der 330 Mitarbeitervertretungen, der Kirchengewerkschaft und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Damit ist eine Chance für ein zeitgemäßes Arbeitsrecht vertan worden. Das hat bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch Vertrauen verspielt.

Wir meinen: Die wesentlichen Problemanzeigen des gegenwärtigen Arbeitsrechts in der Diakonie sind damit keineswegs gelöst. Das sind:
__ die Zersplitterung in acht verschiedene Tarifregelungen in der Diakonie
__ die Zergliederung und Ausgliederung in immer mehr diakonischen Einrichtungen der gegenseitige Wettbewerb unter diakonischen Unternehmen auf dem Rücken der Beschäftigten
__ der Unterbietungswettbewerb in der Sozialen Arbeit, der Gesundheitsund Sozialwirtschaft
__ Richtlinien, die Arbeitgeber nicht einhalten müssen (siehe Entscheidung des BAG vom 24. Mai 2018 – 6 AZR 308/17)

Fast ein Drittel der Synodalen hatte sich dafür ausgesprochen, optional den Tarifvertragsweg zu öffnen. Dafür bedanken wir uns ganz herzlich. Wir haben von Synodalen und in der Öffentlichkeit im Vorfeld wie auch nach dem Synodenbeschluss viel Solidarität und Anerkennung erfahren. Das motiviert uns, weiterzumachen. Denn dieser Beschluss kann nicht das letzte Wort gewesen sein. Wir halten deshalb an unserem gemeinsamen Ziel fest, einen einheitlichen Tarifvertrag für Baden auf der Basis des TVöD gegen die bestehende Zersplitterung der Lohn­ und Arbeitsbedingungen in Diakonie und Kirche zu erreichen.

Es ist weder kirchenrechtlich noch theologisch zwingend notwendig, den Dritten Weg zu verstetigen und den Beschäftigten in diakonischen Unternehmen weiterhin das vorzuenthalten, was für die nichtkirchliche Arbeitswelt von beiden großen Kirchen eingefordert wird: Sozialpartnerschaft, Tarifautonomie, Flächentarif.

Die Vorlage des Landeskirchenrates hatte vor allem die Situation der verfassten Kirche in den Blick genommen. Dort ist tatsächlich mit einer weitgehenden Bezugnahme auf den TVöD der Nachteil für die Beschäftigten nicht so offensichtlich wie in der (Unternehmens)Diakonie, auch wenn juristisch gesehen die normative Wirkung nicht wie durch einen Tarifvertrag gegeben ist. Allerdings wird dabei mittelbar das Niveau des TVöD geschwächt. Denn die Mitarbeitenden sind nicht an der Durchsetzung der Flächentarifforderung beteiligt, auch wenn die Inhalte mehr oder weniger abgeschrieben werden.

Die Wirklichkeit in der Diakonie wurde dagegen in der Vorlage OZ 08/09 ausgeblendet. Das hat Viele enttäuscht. Die heutige Zersplitterung der Tariflandschaft kommt aus dem Dritten Weg. Eine arbeitsrechtliche Verknüpfung zwischen Kirche und Diakonie existiert schon lange nicht mehr. Im Gegenteil, die Tarif­Vielfalt wird noch verschärft durch Ausnahmegenehmigungen, arbeitsvertragliche Unterschreitungen oder diakonische Servicegesellschaften, die kein kirchliches Arbeitsrecht anwenden. Daran wird auch die jetzt beschlossene Transparenz und die Einrichtung einer Ombudsstelle nicht viel ändern.

Wenn die Ertüchtigung des dritten Weges eine Wirkung haben soll, müssten mindestens folgende Bedingungen im Blick sein:
__ Die neu einzurichtende „Ombudsstelle“ muss durch eine unabhängige Person besetzt, mit geeigneten Befugnissen sowie Verschwiegenheitspflicht ausgestattet sein. Alle Beschäftigten müssen direkten Zugang zu ihr haben. Weiterhin muss es eine Berichtspflicht sowohl an die Synode als auch an den Gesamtausschuss geben, um ein Monitoring der Arbeit der Ombudsstelle zu gewährleisten.
__ Die versprochene Transparenz über die Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission bewirkt vielleicht, dass die Arbeitsrechtssetzung nachvollziehbarer veröffentlicht würde. Das Kommissionsmodell bleibt jedoch undemokratisch und ohne Beteiligungsrechte z.B. bei der Annahme von Kompromissvorschlägen.
__ Auch eine „Urwahl“ von Mitgliedern der Arbeitsrechtlichen Kommission lehnen wir ab, denn auch diese legitimiert das Kommissionsmodell nicht, zumal dieses Verfahren wieder ohne Beteiligung der Mitarbeiterseite einseitig kirchlich festgelegt werden soll. Dem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit Artikel 9 GG entspricht nur der Tarifvertragsweg.

Aus diesen Gründen bitten wir Sie nochmals eindrücklich, im kirchlichen Arbeitsrecht optional den Weg für Tarifverträge zu eröffnen. Tarifverhandlungen unter der unabhängigen Verhandlungsführung der beteiligten Gewerkschaften bringt die Mitarbeitenden im Ringen um gute Lohn­ und Arbeitsbedingungen auf Augenhöhe. Dieses Ziel werden wir auf jeden Fall weiterhin verfolgen.


Unter Moderation des KDA haben sich die unterzeichnenden Organisationen zu einem „Runden Tisch“ getroffen und dabei diesen gemeinsamen Brief verabredet. Die Synode hat sich in einem Begleitbeschluss verpflichtet, die Umsetzung ihrer Entscheidung aufmerksam zu beobachten. Um den weiteren Dialog mit der Landessynode zu stärken, halten wir eine kontinuierliche Gesprächsebene der unterzeichnenden Organisationen mit Vertretern der Landessynode für sinnvoll und würden es ausdrücklich begrüßen, wenn die Synode diesen Vorschlag aufgreift.

Wolfgang Lenssen

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