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Die einrichtungsbezogene „Impfpflicht“ gem. § 20a IfSG!

In unserem letzten Newsletter hatten wir bereits über die neue „Impfpflicht“ für Beschäftigte in Pflege- und Gesundheits-einrichtungen berichtet. § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG schafft bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 für Personen, die in bestimmten Einrichtungen des Gesundheitswesens sowie der Pflege tätig sind, die Pflicht, Geimpfte und Genesene im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung zu sein. Aus der Formulierung des § 20a Abs. 1 IfSG wird deutlich, dass es sich nicht um eine direkte Impfpflicht handelt. Es wird bestimmt, dass die Tätigkeit in der Einrichtung bestimmter Voraussetzungen bedarf, nämlich geimpft oder genesen zu sein. Somit wird keine Impfpflicht aufgestellt, sondern eine an der Tätigkeit anknüpfende Tätigkeitsanforderung geschaffen.

In den aufgeführten Einrichtungen müssen die Beschäftigten also ab dem 15.03.2022 einen Nachweis vorlegen, dass sie vollständig geimpft oder genesen oder nicht geimpft werden können. Geschieht dies nicht, hat der Arbeitgeber gem. § 20a Abs. 2 S. 2 IfSG unverzüglich das Gesundheitsamt zu informieren. Das Gesundheitsamt kann dann die Beschäftigten auffordern, einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Wird ein solcher nicht vorgelegt, so kann das Gesundheitsamt gem. § 20a Abs. 5 IfSG ein Betretungsverbot oder Tätigkeitsverbot aussprechen.

Die einrichtungsbezogene Pflicht zum Nachweis einer Immunität gegen COVID-19, die § 20a Abs. 1 IfSG enthält, dürfte verfassungsrechtlich möglich sein. Die Regelung schränkt jedenfalls die Berufsfreiheit der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Die Betroffenen können der Verpflichtung zum Nachweis einer Immunität gegen das COVID-19-Virus allerdings dadurch entgehen, dass sie der Tätigkeit, die diese Pflicht auslöst, nicht nachgehen. Sie werden daher, bei Fehlen eines Nachweises, nicht unmittelbar zu einer Impfung verpflichtet, sondern in ihrer Berufsausübung beschränkt. Dies dürfte wegen der andauernden schwierigen Situation aber verhältnismäßig sein.

Für die arbeitsrechtliche Praxis stellt sich nun insbesondere die Frage, was passiert, wenn Arbeitnehmer*Innen den Nachweis nicht erbringen bzw. erbringen können.

Das in § 20 a IfSG vorgesehene Verfahren sieht zunächst lediglich eine Mitteilungspflicht des Arbeitgebers an das zuständige Gesundheitsamt vor, das dann die säumigen Personen nach § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG zur Beibringung eines Nachweises (unter Fristsetzung) auffordert. Ein automatisches gesetzliches Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsverbot ist folglich nicht vorgesehen. Erst wenn die gesetzte Frist fruchtlos verstrichen ist, kann das Gesundheitsamt der säumigen Person das Betreten der Einrichtung bzw. Tätigwerden in der Einrichtung nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG untersagen.

Ein arbeitnehmerseitiger Verstoß würde eine Ordnungswidrigkeit nach § 73 Abs. 1a Nr. 7f bzw. 7h darstellen. Arbeitgeberseits wäre ein Verstoß nach § 73 Abs. 1a Nr. 7e bzw. 7f IfSG bußgeldbewährt.

§ 73 IfSG

1a) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1…

 

7e. entgegen § 20a Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Satz 2 oder Absatz 4 Satz 2 eine Benachrichtigung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vornimmt,

7f. einer vollziehbaren Anordnung nach § 20a Absatz 2 Satz 3 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 3 Satz 3 oder Absatz 4 Satz 3, oder nach § 20a Absatz 5 Satz 3 zuwiderhandelt,

7g. entgegen § 20a Absatz 3 Satz 4 oder Satz 5 eine Person beschäftigt oder in einer Einrichtung oder einem Unternehmen tätig wird,

7h. entgegen § 20a Absatz 5 Satz 1 einen Nachweis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vorlegt,

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1a Nummer 7a bis 7h, 8, 9b, 11a, 17a und 21 mit einer Geldbuße bis zu zweitausendfünfhundert Euro, in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro geahndet werden.

Die Nichtvorlage des Nachweises beim Arbeitgebenden könnte zudem arbeitsrechtliche Auswirkungen haben.

Dass Arbeitnehmer*Innen, die in Einrichtungen bereits vor dem 15. März 2022 tätig waren und bis dahin dem Arbeitgeber keinen Nachweis erbracht haben, über diesen Zeitpunkt hinaus (bis zu einem behördlichen Verbot) nicht mehr beschäftigt werden dürfen, ist dem Gesetzeswortlaut so nicht zu entnehmen. Allerdings könnten Arbeitgebende ggf. die Arbeitsleistung ohne Nachweis ablehnen bzw. die Arbeitnehmer*Innen freistellen und die Lohnzahlungspflichten des Arbeitgebenden ggf. entfallen.

Ist aufgrund eines behördlichen Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsverbots die Erbringung der Arbeitsleistung nicht möglich, dürften Arbeitnehmer*Innen ihren Entgeltanspruch verlieren.

Ob weitergehende arbeitsrechtliche Maßnah-men, wie Abmahnungen oder Kündigungen, zulässig sind, bedürfen jeweils einer Einzelfallprüfung.

Wurde bereits ein behördliches Beschäfti-gungsverbot erteilt, könnte ggf. eine personenbedingte Kündigung zulässig sein. Allerdings ist zu beachten, dass § 20a IfSG mit Ablauf des 31. Dezember 2022 aufgehoben wird.

Für Personen, die ihre Tätigkeit erst ab dem 16.3.2022 aufnehmen, gilt § 20a Abs. 3 IfSG.

Diese dürfen nur beschäftigt bzw. tätig werden, wenn sie die geforderten Nachweise vorlegen. Für sie gilt ein automatisches gesetzliches Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsverbot.

Ein Verstoß wäre gem. § 73 Abs. 1a Nr.7g IfSG bußgeldbewährt.

Neben den arbeitsrechtlichen Fragestellun-gen, dürften sich auch Fragen im Bereich der Entgeltersatzleitungen ergeben.

Man könnte meinen, dass Ansprüche auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis mangels Arbeitslosigkeit ausscheiden (§ 138 SGB III).

Der leistungsrechtliche Begriff der Beschäftigung stellt allerdings nicht auf die rechtlichen Verhältnisse, dem eigentlich fortbestehenden Arbeitsverhältnis, sondern auf die tatsächliche Tätigkeit ab. Werden ungeimpfte Arbeitnehmer*Innen nicht mehr entgeltlich tätig, dürften sie im Sinne des SGB III beschäftigungslos sein. Sind die übrigen Voraussetzungen erfüllt, könnte ein Anspruch für den Bezug von Arbeitslosengeld I bestehen. Möglicherweise könnte der Leistungsbezug aber wegen Arbeitsaufgabe für die Dauer von zwölf Wochen gesperrt sein (§ 159 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 SGB III).

Die Gerichte werden viele Fragen abschließend zu klären haben…

Für Fragen und bei Rechtsberatungsbedarf steht Euch Eure Rechtsschutzabteilung der Kirchengewerkschaft gerne zur Verfügung.

Silvia Schmidbauer

Syndikusrechtsanwältin der Kirchengewerkschaft

 

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