Corona – MAV XI
Corona und die Impf- bzw. Testpflicht der Arbeitnehmer*innen
Zunächst einmal lässt sich festhalten, dass keiner gezwungen werden kann, eine Impfung tatsächlich durchführen zu lassen.
Die Impfung an sich kann also nicht zwangsweise durchgeführt werden.
Im Arbeitsverhältnis stellt sich aber die Frage, ob ein Arbeitgeber eine Impfung zur Voraussetzung der Beschäftigung machen kann. Eine „gesetzliche Pflicht“ des Arbeitnehmers zur Impfung (Tätigkeitsvoraussetzung) besteht, anders als z.B. als bei „der Masernimpflicht“, für Beschäftigte in Betreuungs-, Pflege- oder medizinischen Einrichtungen nicht.
Kann der Arbeitgeber aber auf Grundlage seines Direktionsrechts gemäß § 106 GewO eine Impfung zur Voraussetzung der Tätigkeit machen?
Ob eine Weisung, sich impfen zu lassen, zulässig wäre, ist aufgrund des massiven Grundrechtseingriffs kritisch zu prüfen.
Grundlage einer Weisung können die Schutzpflichten des Arbeitgebers sein. Der Arbeitgeber ist dabei verpflichtet, den Schutz des Lebens und der Gesundheit seiner Belegschaft sicherzustellen.
Auch hinsichtlich anderer Vertragspartner ist der Arbeitgeber verpflichtet, hinreichenden Gesundheitsschutz zu gewährleisten.
Welche Maßnahmen nun zur Pandemievorsorge möglich und zumutbar sind, richtet sich also nach den Umständen des Einzelfalls.
Seitens des Arbeitnehmers sind natürlich auch dessen mittelbarwirkende Grundrechte zu achten, das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 GG und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG.
Die Weisung, bestimmte Tätigkeiten nur im geimpften Zustand auszuüben, kann jedenfalls nur zulässig sein, wenn sie zur Pandemiebekämpfung und Gewährleistung des Infektionsschutzes auch von Nöten ist.
Für die Bereiche, in denen ein Arbeitgeber gegenüber besonders vulnerablen Dritten besondere Schutzpflichten innehat, ist folglich nicht auszuschließen, dass die Weisung, die Tätigkeit nur als Geimpfte vorzunehmen, gegebenenfalls zulässig ist.
Hier kämen also Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheime, Intensivstationen oder sonstige Betreuung von Hochrisikopatienten in Betracht.
In den Fällen einer solchen Weisung, sind aber selbstverständlich auch die Mitbestimmungsrechte nach § 40b und k MVG-EKD zu wahren.
Bei einer rechtmäßigen Weisung zur Impfung kommt bei einer Nichtbefolgung als letztes Mittel auch die Kündigung eines Arbeitnehmers in Betracht.
Die dürfte aber nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, da zum einen die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einen anderen Arbeitsplatz geprüft werden müsste und zum anderen eine negative Zukunftsprognose vorliegen muss.
Aber auch hier muss ganz klar eine Einzelfallprüfung erfolgen und es kann keine pauschale rechtliche Einschätzung abgegeben werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich also auch nochmals darauf hinweisen, dass für jeden Einzelfall eine individualrechtliche Beurteilung erforderlich ist.
Da es zum Thema Impfpflicht auch noch keine Rechtsprechung gibt, sollte hier auch mit äußerster Vorsicht beraten und vorgegangen werden.
Soweit man zulässige Weisungen nicht einhält, stellt sich nicht nur die Frage der Kündigungsmöglichkeit, sondern gegebenenfalls entfällt hier dann auch die Vergütungspflicht.
Soweit Kolleginnen und Kollegen also einer Weisung zur Impfung nicht entsprechen wollen, sollten sie sich jedenfalls anwaltlich beraten lassen.
Dasselbe gilt für die Verweigerung von Corona-Tests. Auch hier muss wieder eine Abwägung erfolgen, die wegen des weniger erheblichen Eingriffs wohl noch eher zu Gunsten des Gesundheits- und Infektionsschutzes ausfallen wird.
Aber auch hier sei auf die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitervertretung hingewiesen.
Der Arbeitgeber kann also Tests anordnen, soweit sie für den betrieblichen Gesundheitsschutz und einen störungsfreien Arbeitsablauf erforderlich sind. Sollte der Anordnung der Tests dann nicht gefolgt werden, kann der Arbeitgeber die Beschäftigung verweigern und dann auch die Lohnfortzahlung einstellen.
Soweit die Tests aber angeordnet werden, sind sie als Teil der Arbeitszeit zu vergüten.
Dasselbe dürfte dann auch für den Impftermin hinsichtlich der Arbeitszeit gelten.
Corona – Testpflicht -
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe MAV-Mitglieder,
Die Bundesregierung hat, wie Sie ja mit Sicherheit aus der Presse erfahren haben, nunmehr die Arbeitsschutzverordnungen verändert.
Ab Montag, den 19. April 2021, treten neue Regelungen in Kraft, die für den Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Dienststellen, Einrichtungen und Betrieben von besonderer Wichtigkeit sind. Somit schließt dieses auch die Mitbestimmungsrechte gemäß MVG sowie der MAVO mit ein.
Der Arbeitgeber ist verantwortlich für die Beschaffung der jeweiligen Tests. Die anfallenden Kosten trägt der Arbeitgeber. Er kann diese nicht auf die Beschäftigten umlegen oder diese zur Kostenbeteiligung einbeziehen.
Die Testverpflichtung ist laut Verordnung bis zum 30. Juni 2021 gesetzlich verankert.
Was heißt dieses nun konkret?
Der Dienstgeber ist durch die Verordnung gezwungen, entsprechende Tests anzubieten. Kann er, der Arbeitgeber, möglicherweise in der Übergangsphase nicht genügend Tests besorgen, könnte er in der Übergangsphase eine Kooperation mit anderen Betrieben oder Apotheken in Anspruch nehmen.
Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzordnungen regeln bedauerlicherweise nur, dass der Arbeitgeber die Tests anbieten muss.
In unserer Art der Interpretation reicht es aus, wenn er den Kolleginnen und Kollegen die Selbsttests nach Hause sendet oder Selbsttests für alle zugänglich in der Einrichtung deponiert.
Somit wäre die Aufgabe, im Rahmen einer Betriebsvereinbarung oder in der Regelungsabrede mit den Dienstgebern festzuhalten und im Unternehmen entsprechend zu publizieren, wo der Arbeitnehmer diese Tests finden kann, wie viele er in Anspruch nehmen kann und in welchem Umfang die Tests grundsätzlich angeboten werden.
Eine entsprechende Nachweispflicht durch den Arbeitgeber, dass die Kolleginnen und Kollegen diesen Test gemacht haben, sieht die Verantwortung nicht vor.
Im Rahmen dieser Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede könnte und sollte die Mitarbeitervertretung, so unsere Empfehlung, mit aufnehmen, dass der oder die Beschäftigte zwingend gebunden ist, wenn er oder sie positiv getestet wird, dieses unverzüglich, also sofort und umgehend, zu melden.
Dieses kann in einer Vereinbarung durch ein Telefonat, eine SMS oder einer anderen Nachricht an den jeweiligen Dienstvorgesetzten oder die Personalabteilung erfolgen.
Es sollte den Kolleginnen und Kollegen gemeinsam zwischen Mitarbeitervertretung und Dienstgebern noch einmal deutlich und in Schriftform mitgeteilt werden, dass bei einer Positiv-Meldung durch einen Schnelltest oder Selbsttest eine sofortige Isolation zwingend notwendig ist und der Kollege oder die Kollegin dann auch bestätigen muss, dass er oder sie in die Quarantäne/Isolation gegangen ist.
Hierzu bedarf es dann zur Absicherung erneut einen PCR-Test.
Solange sollten die betroffenen Kolleginnen und Kollegen keinen Kontakt mehr zu anderen Kolleginnen und Kollegen haben.
Hierbei ist nicht geregelt, ob der Kollege oder die Kollegin den Selbsttest zu Hause macht, bevor er in die Dienststelle geht, oder zu Beginn der Arbeit, also auch an einem eigenständigen Ort. Es bietet sich an, möglicherweise einen eigenen, je nach Größe des Unternehmens, Testraum bzw. Teststrecken einzurichten, damit auch bei der Testung möglich wenig Kolleginnen und Kollegen miteinander Kontakt haben und im Falle einer positiven Testung, dann auch der Kontakt möglichst gar nicht oder gering ausfällt.
In der Dienstvereinbarung kann festgelegt werden, dass der Arbeitgeber betriebsintern im Rahmen der Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede trotzdem dokumentiert, wer sich wann hat testen lassen.
Nach unserer Recherche und Rechtsauffassung spricht nichts dagegen, dass die Namen/Daten derjenigen, die einen Test gemacht bzw. einen Test abgeholt haben bzw. nachrichtlich übermitteln, sich zu Hause selber getestet zu haben, erfasst werden.
So ist nach unserer Auffassung sichergestellt, dass sich niemand, möglicherweise zu Lasten anderer Kolleginnen und Kollegen, ungetestet im Unternehmen aufhält und dass der Kollege oder die Kollegin den Test auch vom Arbeitgeber erhalten hat.
Eine andere Aufgabe kann der Mitarbeitervertretung zukommen, wenn es zur Testung kommt. Damit die sogenannte Schnelltestung auch korrekt abläuft, muss dafür Sorge getragen werden, dass in dem Raum, in dem die Tests durchgeführt werden, eine Raumtemperatur von ca. 21 Grad vorliegt. Auch die Tests selber sollten diese Temperatur haben.
Die jeweiligen Hersteller der Selbsttests weisen darauf hin, dass es, wenn diese Temperatur nicht gehalten werden kann, zu falschen Ergebnissen sowohl in die eine als auch in die andere Richtung kommen kann.
Diese Kontrolle unterliegt nach unserer Auffassung der Kontrollaufgabe der Mitarbeitervertretung unter dem Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Ein besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, ob es in Ihrem Bundesland eigenständige Arbeitsschutzregelungen gibt, die nicht über und durch die Bundesverordnung abgedeckt sind.
Die Schnelltestung dauert in der Regel 15 Minuten. Diese 15 Minuten sind Arbeitszeit, da nun der Arbeitgeber von der Freiwilligkeit zu einer sogenannten Muss-Regelung gekommen ist. Somit ist auch diese Zeit zu Vergüten.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Organisation der Tests mitbestimmungspflichtig ist. Ebenfalls unterliegt die Fragestellung, ob die Testdaten erhoben, gespeichert und/oder verarbeitet werden, der Mitbestimmung.
Des Weiteren ergibt sich aus dieser Verordnung, dass alle Maßnahmen dem Informations- und Initiativrecht der Mitarbeitervertretung unterliegen.
Mindestens einmal pro Woche muss ihr Arbeitgeber allen Beschäftigten, die nicht ausschließlich von zu Hause, also im Homeoffice sind, einen Schnelltest anbieten.
Den Kolleginnen und Kollegen, die im direkten Körperkontakt zu anderen Personen stehen oder häufigen Kundenkontakt haben, muss der Arbeitgeber 2 Tests pro Woche anbieten.
Auch dieses sollte so in der Betriebsvereinbarung unmissverständlich festgeschrieben sein.
Es muss an dieser Stelle nach unserer Auffassung auch erwähnt werden, dass die letztendliche Entscheidung, ob die Kolleginnen oder Kollegen sich ein-/zweimal die Woche selber testen, ihr eigenes Interesse ist und der Dienstgeber sie nicht dazu zwingen kann.
Es wäre im Rahmen der Dienstvereinbarung oder zumindest der Publikation dieser seitens der Mitarbeitervertretung darüber nachzudenken, ob für Kolleginnen und Kollegen, die der deutschen Sprachen nicht mächtig sind, diese Vereinbarung und gesetzlichen Regelungen in anderen Sprachen übersetzt werden können.
Bei den Schnelltests gibt es zwei Möglichkeiten, die hier aufgezeigt werden.
Einerseits gibt es den Antigen Test als Schnelltest durch Fachpersonal. Das bedeutet, dass geschultes Personal aus dem eigenen Unternehmen oder durch externe Dienstleister die Proben bei den Beschäftigten nehmen kann.
Des Weiteren gibt es Tests, die die Kolleginnen und Kollegen selbst durchführen können, wobei darauf zu achten ist, dass die entsprechende Anleitung der jeweiligen Tests ordnungsgemäß gelesen und umgesetzt wird.
Hierzu kann der Dienstgeber auch entsprechend eingewiesenes oder geschultes Fachpersonal aus dem eigenen Unternehmen vorhalten.
Nach unserer Einschätzung sollte, wenn es zu einer Dienstvereinbarung oder einer Regelungsabrede kommt, klar formuliert werden, wer die Tests denn durchführt.
Zusammenfassend noch einmal: Der Dienstgeber kann die Beschäftigten grundsätzlich nicht zu einem Test verpflichten, so lange es für seinen Betrieb oder für diese gesamte Branche keine entsprechende Anordnung auf Bundes- oder auf Landesebene gibt.
Deshalb ist es auch nicht möglich, eine solche Pflicht in der Dienst- oder Vertriebsvereinbarung festzuschreiben.
Sollte es aber bei einem oder einer Beschäftigten Anzeichen einer Infektion geben, sprich Symptome vorliegen, kann der Arbeitgeber zum Schutze der gesamtbetroffenen Belegschaft einen Test verlangen, bevor der Kollege oder die Kollegin die Arbeit wieder aufnimmt.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
wir werden Euch in diesem Themenfeld „Corona, betriebliche Mitbestimmung, MVG und MAVO“ weiter aktuell auf dem Laufenden halten.
Hubert Baalmann
Gewerkschaftssekretär / Dipl.-Jurist
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