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Einige Informationen aus unserer Rechtschutzabteilung:

Arbeitsgericht Köln: Betriebliche Maßnahmen zum Infektionsschutz und Mitbestimmung des Betriebsrats

Arbeitsgericht Köln, Beschluss vom 24.11.2020, 8 BV 122/20 § 87 Abs.1 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Leitsatz:

Corona-Schutzmaßnahmen, die der Arbeitgeber selbst konkret festlegt, sind mitbestimmungspflichtig.

Hintergrund:

Drei selbständige Unternehmen, die am Flughafen Köln/Bonn ein Gemeinschaftsunternehmen der Express-Luftfracht betreiben, und der dort bestehende Betriebsrat stritten sich über die Frage, ob bestimmte Corona-Schutzmaßnahmen der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen oder nicht. Anlass des Streits war ein vom Arbeitgeber im Juni 2020 verfasstes Formular zur „Unterweisung für Mitarbeiter zum Thema Coronavirus“ mit einer - ebenfalls vom Arbeitgeber erstellten - Anlage „SARS-COV2: Richtige Verhaltensweisen und Schutzmaßnahmen“ sowie einer weiteren Anlage, bei der es sich um ein von der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG Verkehr) erstelltes Merkblatt mit Unterweisungen handelte. Nachdem der Arbeitgeber das Formular mit den beiden Anlagen an die Arbeitnehmer verteilt hatte, ohne den Betriebsrat im Rahmen der Mitbestimmung zu beteiligen, beantragte der Betriebsrat vor dem Gericht Köln, es den drei Unternehmen aufzugeben es zu unterlassen, das Formular und seine beiden Anlagen zu nutzen, solange der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört wurde und seine Zustimmung zur Nutzung erteilt hatte. Das Arbeitsgericht Köln gab dem Antrag überwiegend statt, nämlich in Bezug auf die vom Arbeitgeber selbst verfassten Schreiben bzw. Formulare. Hier hatte der Arbeitgeber eigene Entscheidungsbefugnisse und der Betriebsrat daher ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs.1 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Die Verteilung des von der BG Verkehr stammenden Merkblatts untersagte das Gericht dem Arbeitgeber dagegen nicht. Der Aushang von Handlungsempfehlungen der zuständigen Berufsgenossenschaft zur Unfallvermeidung und zum Gesundheitsschutz durch den Arbeitgeber löst grundsätzlich keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus, so das Gericht.

Arbeitsgericht Köln, Beschluss vom 24.11.2020, 8 BV 122/20

 

 

 

LAG Baden-Württemberg: Unzulässige außerordentliche Kündigung eines Kochs in einer evangelischen Kindertagesstätte wegen Kirchenaustritts

Das LAG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 10.2.2021 (4 Sa 27/20) ein Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 12.3.2020 (22 Ca 5625/19) bestätigt und die Kündigung eines Kochs in einer evangelischen Kita für unwirksam erklärt. Die Loyalitätserwartung der beklagten Kirche, nicht aus dieser auszutreten, stelle keine wesentliche und berechtigte Anforderung an die persönliche Eignung des Klägers dar.

Was war geschehen?

Die beklagte Evangelische Gesamtkirchengemeinde Stuttgart betreibt ca. 51 Kindertageseinrichtungen mit rund 1.900 Kindern. Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1995 als Koch in einer Kita beschäftigt. Der Kläger erklärte im Juni 2019 seinen Austritt aus der evangelischen Landeskirche. Nachdem die Beklagte von dem Austritt Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich und fristlos mit Schreiben vom 21. August 2019. Die Beklagte sieht ihr Handeln und Verständnis vom besonderen Bild der christlichen Dienstgemeinschaft geprägt. Mit dem Kirchenaustritt verstoße der Kläger deshalb schwerwiegend gegen seine vertraglichen Loyalitätspflichten. Der Kläger hat vorgetragen, dass sich sein Kontakt mit den Kindern auf die Ausgabe von Getränken beschränkt habe. Auch mit dem pädagogischen Personal in der Kita habe er nur alle zwei Wochen in einer Teamsitzung Kontakt gehabt, wo es um rein organisatorische Probleme gegangen sei.

 

 

LAG Düsseldorf: Anreise zur Fortbildung als Arbeitszeit - dadurch bedingte Überschreitung der Höchstbefristungsdauer denkbar

TzBfG § 14; BB §§ 133, 157, 187, 611, 611a

1. Einigen sich die Vertragsparteien darüber, dass der Arbeitnehmer zu einer im betrieblichen Interesse erforderlichen und angeordneten Schulung, die am frühen Morgen des Tages beginnen soll, der zunächst als Vertragsbeginn vorgesehen war, bereits am Vortag anreist, weil der Schulungsort soweit vom Dienstort entfernt liegt, dass anderenfalls eine rechtzeitige Anreise nicht möglich oder unzumutbar wäre, handelt es sich bei der Fahrtzeit für die dienstlich erforderliche Anreise um Arbeitszeit im arbeitsvertragsrechtlichen Sinne. Der Arbeitnehmer erbringt damit bereits die versprochenen Dienste i.S.v. § 611 BGB (a.F.). Vertragsrechtliche Arbeitszeit ohne Arbeitsvertrag gibt es nicht (im Anschluss an LAG Düsseldorf, BeckRS 2019, 19767). 

2. Die Einigung über vertragsrechtliche Arbeitszeit am Vortag des ursprünglich vorgesehenen Vertragsbeginns führt zur einvernehmlichen Vorverlegung des Beginns des Arbeitsverhältnisses auf den Tag der Dienstreise.

3. Beginnt das Arbeitsverhältnis dementsprechend am 04.09.2016, überschreitet eine bis 04.09.2018 vereinbarte Befristung den für sachgrundlose Befristungen nach § 14 II 1 TzBfG maximal zulässigen Zeitraum von zwei Jahren um einen Tag. Rechtsfolge ist die Unwirksamkeit der Befristungsabrede und das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. (amtl. Leitsätze)

LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2020 - 10 Sa 252/19, BeckRS 2020, 10786 

 

 


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