Diskriminierung nach AGG: Wer wofür die Beweislast trägt
Behinderung: BAG zur Beweislast bei Diskriminierung nach AGG Beweislast nach § 22 AGG: Die Vorschrift fordert mehr als die bloße Möglichkeit einer Diskriminierung, sie muss überwiegend wahrscheinlich sein.
Arbeitgeber dürfen Arbeitnehmer nicht wegen ihrer Schwerbehinderung benachteiligen. Um bei Diskriminierungen mögliche Ansprüche einfacher durchzusetzen, sieht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Beweiserleichterung vor. Zur Beweislast im AGG entschied nun auch das BAG.
Wer sich als Mitarbeiter von seinem Arbeitgeber diskriminiert fühlt, trägt grundsätzlich die Beweislast dafür, dass eine Benachteiligung vorliegt. Meist gibt es jedoch lediglich Indizien und keine handfesten Beweise. Gemäß § 22 AGG gilt daher eine Beweiserleichterung: "Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grunds vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat".
Den Inhalt dieser Vermutungsregel hat nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) explizit thematisiert und entschieden: Es genügt nicht die schlichte Möglichkeit, dass die Indizien ursächlich für eine geltend gemachte Diskriminierung sind. Im konkreten Fall konnte das BAG keine endgültige Entscheidung treffen, sondern verwies diesen zurück an die Vorinstanz.
Bei Stundenerhöhung übergangen – Diskriminierung nach AGG?
Im zugrundeliegenden Sachverhalt ging es um einen Arbeitnehmer, der bei einem Express-Versand und Transport-Service beschäftigt und bereits seit 2011 als schwerbehinderter Mensch anerkannt war. Als Kurier arbeitete er in der Woche 27,5 Stunden – mit dem grundsätzlichen Wunsch seine Stundenanzahl zu erhöhen. Als sein Arbeitgeber im Juni 2013 ein Stundenvolumen von ingesamt 66,5 Stunden – unbefristet – an 14 teilzeitbeschäftigte Kuriere verteilte und entsprechende Änderungsverträge abschloss, blieben einzig der schwerbehinderte Arbeitnehmer und ein neuer Kollege unberücksichtigt. Weil er sich wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert fühlte, klagte der Arbeitnehmer vor Gericht auf eine Erhöhung seiner wöchentlichen Arbeitszeit unter entsprechender Vertragsänderung.
LAG erkennt auf AGG-Schadensersatz
In der Berufungsinstanz machte er zusätzlich einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG in Höhe der ihm entgangenen Vergütung geltend. Diesen gestanden ihm die LAG-Richter zu, wiesen die Klage aber im Übrigen ab. Die hiergegen gerichtete Revision des Arbeitgebers hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg.
Nach Auffassung der obersten Arbeitsrichter durfte das Hessische Landesarbeitsgericht der Klage nicht mit der Begründung stattgeben, es lägen Indizien gemäß § 22 AGG vor, die eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung vermuten ließen und der Arbeitgeber habe diese Vermutung nicht widerlegt.
Vermutungsregel fordert "überwiegende Wahrscheinlichkeit"
Das Landesarbeitsgericht habe nämlich verkannt, dass die Vermutung einer Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes – hier also wegen einer Behinderung – nur besteht, wenn Indizien vorliegen, die mit "überwiegender Wahrscheinlichkeit" darauf schließen lassen, dass ein in § 1 AGG genannter Grund ursächlich für die Benachteiligung war.
Die vom Landesarbeitsgericht angenommene "Möglichkeit" einer Ursächlichkeit reiche nicht aus. Aufgrund der bislang vom LAG getroffenen Feststellungen konnte der Senat den Rechtsstreit allerdings nicht abschließend entscheiden. Die Sache wurde deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück verwiesen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Januar 2017, Az. 8 AZR 736/15; Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 25. September 2015 - 18 Sa 520/14 -–